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Kopfkino und Trailverweigerung oder die Kunst über sich hinaus zu wachsen…

Im Jahr 2006 habe ich mit Freunden das Biken angefangen und bereits damals passierten wir die, bei ortskundigen, bekannte Stelle im Video voller Ehrfurcht. Die meisten Freunde die ich habe sagen heute noch: „diese Stelle werde ich nie im Leben fahren!“ So ging es mir in den ersten Jahren meiner Bikekarriere auch.

Mehr als 10 Jahre verweigerte ich also diese Stelle auf meinem Hometrail und dachte oft, ob ich das wohl jemals runter fahren werde?

Der Gedanke dass ich das wohl eigentlich inzwischen fahren können müsste, keimte über Jahre. In den letzten Monaten ertappte ich mich immer wieder dabei, oben zu stehen, runter zu schauen, mir eine Linie auszusuchen und zu überlegen

„Hmm fahrtechnisch müsstest du es eigentlich können“.

Und trotzdem schob ich mein Rad jedesmal wieder die Treppen runter an der Stelle vorbei.

Inzwischen kannte ich auch einzelne Biker die diese Stelle fuhren, vermutlich auch, da diese Stelle nicht mehr ganz so steil war wie noch vor 10 Jahren. Vor allem Biker, die nicht von hier stammten, fuhren die Stelle eher unbekümmert, während die Stelle bei uns Locals eher mystisch behaftet war.

Bis heute kenne ich keine Frau persönlich, die hier runter fährt. Warum eigentlich?

Genau das wollte ich ändern, da ich dachte

„Mensch fahrtechnisch stehst du den Männern hier in nichts nach.“

Und trotzdem bremste mich mein „Kopfkino“ indem ich mir ausmalte, wie ich es fahre und stürze, und danach alleine im Wald liegen bleibe. Oder war mein Mann mit meinem Sohn Nino dabei, überlegte ich mir, wie schlimm das wohl für Nino wäre, wenn seine Mama da jetzt schwer stürzt und ließ es jedesmal sein.

Schließlich will und muss man beim Biken ja auch nichts riskieren. Und trotzdem ärgerte es mich zu Hause dann, es nicht versucht zu haben. Schließlich ist es realistisch – nicht riskant – Stellen zu fahren, die man sich selbst und Andere einem fahrtechnisch zutrauen.

Nachdem ich selber vor Jahren ein Fernstudium zum Personal Coach absolviert habe begann ich mich daher zu fragen, ob das bei mir einfach nur eine mentale Blockade ist, da ich an anderen Orten ähnlich steile, jedoch nicht so lange und tiefe Passagen bereits gemeistert hatte. Und obwohl es mir bewusst war, dass mir vermutlich nur mein vegetatives Nervensystem einen Streich spielte, wenn ich mit einem hohen Puls alleine oben an der Kante stand und überlegte jetzt da runter zu fahren, konnte ich mich nicht richtig dazu durch ringen, es einfach zu versuchen.

Es war also wohl Schicksal, als Marcus Euerle – Coach und Inhaber von Trailskills, einer neuen Fahrtechnikschule in Aspach – auf seiner Facebookseite ein Video mit der Frage postete:

Wer kennt´s? Letzten Samstag einen neuen Trail getestet, mit dabei eine kurze aber recht steile Kante im Gelände. Die Schwierigkeit bei sowas liegt meist nicht nur in der Technik, sondern oft an den Grenzen, die man sich selber steckt.
Was sind eure „Dieses Mal fahr ich es! Ach neee, lieber doch nicht“ – Stellen?

Genau die Stelle im Video von Marcus bin ich vor kurzem in Beilstein ohne nachzudenken gefahren und hinterher sagte mir ein Freund, wenn du diese Stelle fährst kannst du auch die etwas längere und steilere Stelle auf deinem Hometrail fahren. Ich fühlte mich also sofort angesprochen von Marcus Video und kommentierte es. Nachdem Marcus aus Aspach, einer Nachbargemeinde stammt, schrieb er mich kurzerhand an und sagte: „komm lass uns das Ding, das ihm bekannt war, zusammen runter fahren und Deine Blockade lösen.“

Spontan habe ich ja gesagt und schon war mein Projekt 2017 geboren:

„Jani bezwingt das Sauloch“ 😉

Das Wetter oder unsere voller Terminplan ließ uns die letzten Wochen leider im Stich, so dass wir uns gestern mehr spontan entschieden das Projekt, trotz noch etwas leicht feuchter Trails, endlich anzugehen.

Wir fuhren zusammen zu der Stelle und schauten sie uns genau von oben an. Marcus erläuterte, dass es bei Schlüsselstellen, wie einer solchen steilen Rampe (gilt aber eigentlich für alle „Blockade-Stellen“) wichtig ist, positiv zu bleiben und sich die dafür nötige Fahrtechnik ins Bewusstsein zu rufen.

Sich mit den Problemen einer Stelle zu befassen baut nur Mauern auf und mit jeder Minute grübeln wird diese größer und massiver. Daher gilt es, sich mit den Lösungen zu befassen. In meinem Fall hieß das, den Blick nicht ganz nach unten schweifen zu lassen, um dem insgesamten Höhenunterschied nicht unnötig viel Bedeutung beizumessen und mich darauf zu fokussieren, worin die eigentlichen Herausforderung liegt, und die liegt aufgrund des Gefälles nunmal nur im oberen Drittel dieser Abfahrt. In dieser Situation also einen näheren Fixpunkt suchen. Außerdem betrachteten wir das alles auch mal aus der Hocke, um das von ca. „einem Meter“ weiter unten anzuschauen.

Tatsächlich verlor die Rampe dadurch schon etwas ihren Schrecken und ich prägte mir den Punkt ein, auf welchen ich meinen Blick während der Einfahrt in die Passage fixieren würde. Anschließend besprachen wir die Linienwahl und schauten uns einzelne nicht mehr ganz so feuchte Wurzeln – auch von unten – an. Marcus fuhr die Passage dann einmal vor und wir beschlossen, dass wir meine Jungfernfahrt auf Video festhalten müssen.

Und dann gings los und ich muss sagen, ich wusste, dass man ziemlich beschleunigt in der Passage, aber war dann schon ganz schön geflasht, wie schnell ich tatsächlich geworden bin.

Mein Fazit:

Die Stelle ist fahrtechnisch für fortgeschrittene Fahrer, die wissen wie mit den Bremsen umzugehen ist und keine Panik bekommen wenn es mal schneller wird, eigentlich kein Problem. Man braucht einzig und alleine gute Nerven und darf eben nicht aus Panik an der Bremse ziehen oder ruckartig Lenken oder ähnliches.

Erstaunlich war trotzdem, dass ich abends zu meinem Mann Micha sagte, ich weiß nicht, ob ich die Stelle mit meinem Giant Reign 0 gefahren wäre. Mein Mondraker eCRAFTY liegt unglaublich satt auf dem Trail, durch das höhere Gewicht und man hat ein wahnsinniges laufruhiges Gefühl, was mir totale Sicherheit gibt. Hier muss ich ganz klar den Daumen hoch machen für ein E-MTB mit 2,8 Zoll Reifen und 27,5 Zoll.

Manchmal benötigt man also, um Blockaden im Kopf zu lösen und für die Kunst über sich hinauszuwachsen, einfach einen Fahrtechniktrainer, der bestimmte Stellen ganz analytisch mit einem bespricht und einem mit kleinen Tricks und vor allem anhand der korrekten Blickführung Lösungen aufzeigt und den Schrecken nimmt. Egal wie gut man ist, jeder sollte versuchen, seine Grenzen zu verschieben, wenn er wie ich so eine „Kopfkino-Stelle“ hat.

Denn eins ist mal klar:

Es fühlt sich mehr als genial an, über sich selbst hinaus zu wachsen und seine eigenen Grenzen zu überwinden.

Und jetzt viel Spaß bei meinem Video:

Und zum Schluss nochmals vielen vielen Dank an Marcus für die mentale Unterstützung, die tollen Bilder und Videos – es hat mords Spaß mit Dir gemacht!

Wer sich jezt an eigene Schranken oder Grenzen erinnert, die einem auf dem Trail begegnen, der kann sich gerne an Marcus wenden, er bietet nicht nur Einzelcoachings an sondern auch einige Fahrtechnikseminare für unterschiedlichste Gruppen. Schaut doch einfach mal bei ihm auf seiner Seite vorbei, ihr könnt ihn hier erreichen:

trailskills.de/

Was sind denn Eure „Angst-Stellen“? Und könntet Ihr Euch einmal so ein Einzelcoaching vorstellen? Findet Ihr es riskant oder eher gut auch einmal über seine persönliche Grenze hinaus zu gehen? Und Mädels aus der Region, kennt ihr die Stelle? und wer fährt sie von Euch?

Und wenn Euch der Beitrag gefallen hat, freue ich mich sehr, wenn Ihr meiner Facebookseite MythosEbikeblog ein Like schenkt.

Bilder von Marcus Euerle:

 

3 Gedanken zu “Kopfkino und Trailverweigerung oder die Kunst über sich hinaus zu wachsen…

  1. Jani, das mit dem Sauloch ist eine super Story. es stimmt, dass man manche herausfordernden Stellen mehr oder weniger aus Gewohnheit nicht fährt, das ist schon fast ein Paradigma. ich hab das bei mir in Latsch so festgestellt….frei nach dem Motto „ich schaff das eh nicht, also kann ich auch gleich absteigen“ – doch ich hab jetzt beschlossen, damit Schluss zu machen!!!! üben, üben, üben, die Herausforderungen meistern und mich ständig verbessern 🙂 yess!!!!

  2. Danke Ramona für Deine Antwort! schön, dass Du Dich in dem Artikel auch etwas wiederfindest. So hat wohl jeder sein ganz eigenes „Sauloch“ und ich finde es ist genau die richtige Einstellung mutig zu sein, vorausgesetzt man weiß fahrtechnisch müsste ich es eigentlich können.
    Mit Euch bei den Womenscamps das hat mir auch immer so viel gebracht, da man da einfach bildlich sieht, wie das die Mädels runter düsen und man damit abspeichert: das kann ich auch schaffen 😉
    hat total Spaß gemacht und ich hoffe wir drehen mal wieder eine Runde zusammen! Ganz arg liebe Grüße Jani 😉

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