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Mein Leserbrief zum Blogbeitrag: „Elektrisch zum Höhepunkt – nein danke!“ von Ralf Neukirch, erschienen auf Spiegel Online

Sehr geehrter Herr Neukirch,

in Ihrem Blogbeitrag „Elektrisch zum Höhepunkt – nein danke!“, veröffentlicht auf Spiegel Online am 23. April 2017 unter folgendem Link http://www.spiegel.de/auto/fahrkultur/e-mountainbikes-so-bringt-man-sich-um-ein-erfolgserlebnis-a-1144069.html, erläutern Sie Ihre – eher negativen Erlebnisse und Eindrücke mit E-Mountainbikern während einer Wanderung. Schade, dass es zu einem solchen Erlebnis gekommen ist, da meine Erfahrungen bisher eher anderer Natur waren.

Sie bezeichnen sich als ziemlich toleranten Menschen bezüglich des Themas Radfahren mit einer Ausnahme: E-Mountainbiker sollten nicht auf den Berg. Vor allem störte Sie laut Ihrem Beitrag, dass Sie während Ihrem Aufstieg „schwitzend auf dem Waldweg stapfend“ von einer „klappernden Gruppe schwatzender Männer auf Elektrorädern“ überholt wurden.

Ich selber sehe mich als traditionelle Mountainbikerin, da ich seit mehr als 10 Jahren in den Bergen unterwegs bin. Seit Weihnachten 2016 bin ich nun zusätzlich Besitzerin eines von Ihnen verpöhnten E-Mountainbikes (E-MTB).

Auf meinem Blog https://www.mythos-ebike.de führe ich gerade einen Selbstversuch durch und beschäftige mich mit dem Für und Wider von Ebikes. Eventuell komme ich in den nächsten Monaten zu einem Ergebnis, um folgende These von Ihnen zu widerlegen: „Eins sind sie aber nicht: eine Alternative zu traditionellen Fahrrädern, so wenig wie ein alkoholfreies Bier eine Alternative zu einem frischen Kölsch ist“. 

Haben Sie schon einmal ein E-MTB getestet in den Bergen? Wenn nicht, wundere ich mich wie Sie zu dieser These kommen, ohne anscheinend je ein E-MTB getestet oder vielleicht ein nettes Gespräch mit den „schwatzenden Männern“  geführt zu haben. Ich versuche der Skepsis und den Zweifeln die einige Menschen – auch Biker – den E-Mountainbikern entgegen bringen selbst zu ergründen, mir eine Meinung dadurch zu bilden, indem ich den „Mythos-Ebike“ teste und dadurch eventuell herausfinde und schildern kann was an diesem Hype tatsächlich dran ist.

Erst dann will ich mir zu Ihrer These ein Urteil bilden. Blicke ich zurück auf die letzten 4 Monate muss ich allerdings bereits jetzt schon durchaus einräumen, dass ich mich der Meinung annähren kann, dass E-MTBs für einige Menschen durchaus eine echte Alternative zu herkömmlichen Mountainbikes (MTBs) darstellen können. Ob das für mich der Fall ist, kann ich erst nach Abschluss meines Selbstversuchs sagen.

Toleranz bedeutet für mich im Vorfeld keine pauschalen Aussagen zu machen und damit all jene anzugreifen, die eben schon der Meinung sind, dass E-MTBs echte Alternativen zu tradtionellen Fahrrädern sein können. Oder auch diejenigen anzugreifen, die eben schon finden ein alkoholfreies Bier ist eine echte Alternative zu einem frischen Kölsch. Für mich ist übrigens so manches alkoholfreie Bier noch eher ein Bier als ein Kölsch, aber auch das ist wohl Geschmacksache.

Denn genau solche Menschen scheint es auf der Welt tatsächlich zu geben und das ist auch gut so, denn es bedeutet, dass wir nicht alle gleich sind, nicht alle an denselben Dingen Spaß haben – es macht die Welt bunter und vielfältiger. Recht geben mir hier wohl auch die steigenden Verkaufszahlen von E-MTBs, die wohl auch künftig weiter nach oben gehen werden.

Dass E-Bikes toll sind um z.B. Kinder zu transportieren, da gebe ich ihnen zu 100% recht. Wenn wir jedoch unseren 4-jährigen Sohn im Schlepptau haben, will auch er mit uns in den Wald und auf den Berg fahren, die Natur erleben und nicht nur im Tal „langweilige“ Radwege fahren. Kinder in diesem Alter lieben das Naturerlebnis und das Abenteuer, ebenso wie wir Erwachsene.

Sollen auch sie deshalb nicht mit dürfen, da nun wieder einmal die Angst vor dem Neuen, oder Vorurteile die Akzeptanz für E-MTBs erschwert und man sie am liebsten im Vorfeld vom Berg verbannen würde? Und was ist mit den Bikern, die aus gesundheitlichen Gründen auf E-MTBs umgestiegen sind und nur dadurch weiterhin ihren geliebten Sport ausüben können?

Sie stellen sich die Frage: „Aber warum sollte man mit einem E-MTB ins Gebirge fahren?“

Bereits selbst haben Sie diese Frage in Ihrem Artikel beantwortet: „(…) um die Natur in ihrer wilden, ungezähmten Form zu erleben“. Genau das haben Sie aus meiner Sicht zu 100% mit den meisten E-Mountainbikern gemeinsam.

Nahezu alle Biker die ich kenne, ob mit E-Antrieb oder ohne, lieben die unberührte Natur, die Blumen am Wegrand, die massive Kulisse der Bergwelt die einen die Freiheit und Schönheit der Welt nahezu spüren lässt. Ich weiß nicht wie oft ich am Wegrand Orchideen fotografiert habe und meinem Sohn erkläre, was wir hier gerade wieder für eine tolle Blume gefunden oder seltene Vögel entdeckt haben.

Der Vorteil des Mountainbikens für mich, gegenüber dem Wandern ist, dass ich oft das Gefühl habe unberührte Flecken Erde erreichen zu können, da sich eben mein Aktionsradius deutlich erweitert im Gegensatz zu einer Wanderung.

Mit einem E-MTB können in kürzerer Zeit mehr Höhenmeter bewältigt werden. Es ist daher z.B. auch noch nach dem Feierabend möglich den Berg zu erklimmen, um im Sonnenuntergang abzufahren. Es ist aber auch möglich bei gleicher Geschwindigkeit mit weniger Anstrengung den Berg zu erklimmen wie ein Mountainbiker ohne Antrieb. Gerade das ermöglicht ein deutliches Mehr an Genuss. Ein weiterer Vorteil ist dabei, nicht so stark zu ermüden und oben angekommen, noch genügend Kraft für den Trail nach unten zu haben. Im Übrigen schwatze ich immer gut gelaunt auf meinen Ausfahrten mit anderen, denn es geht ja nicht nur um Naturerlebnisse sondern auch darum, diese mit Gleichgesinnten zu teilen.

Ob jetzt der Mountainbiker mit hochrotem Kopf  oder der „schwatzende“ E-Mountainbiker mehr Genuss empfindet kann jeder für sich entscheiden.

Hinzu kommt, dass man beim herunter Fahren auf flowigen oder auch technischen anspruchsvollen Trails seine Fähigkeiten stärkt, das Naturelebnis noch ergänzt mit absolutem Spaßfaktor und Dopaminausschüttung.

Ein ähnliches Gefühl muss es für Sie sein, wenn Sie oben angekommen sind mit eigener Kraft und eigener Leistung. Ich habe dieses Gefühl nicht nur beim hochfahren, sondern auch wenn ich einen anspruchsvollen Trail herunter gefahren bin. Wahrscheinlich habe ich deshalb immer mein Mountainbike meinem Rennrad vorgezogen. So gibt es also viele verschiedene Intentionen, weshalb man eine Sportart ausübt.

Verstehen kann ich Ihr Gefühl des erkämpften Anstiegs absolut. Vor einigen Jahren sind mein Mann und ich bei einer Vielzahl von Tagesmarathons oder Etappenrennen wie z.B. der  Craft-Bike-Transalp gestartet. Wir haben unsere eigenen Grenzen immer weiter ausgereizt und sind z.B. bei einem Mountainbikemarathon mit 75km und 3200Höhenmeter stundenlang im Schnee unterwegs gewesen. Früher hatten wir mehr Zeit zu trainieren, der Job ließ das damals zu, ich hatte keine schwere Schwangerschaft, keinen kleinen Sohn und kein Haus gebaut, so dass ich viel Zeit zum trainieren hatte. Dies alles war in den letzten Jahre nicht mehr ganz so möglich. Trotzdem möchte ich auf mein liebstes Hobby nicht verzichten. Ein E-MTB ermöglicht mir wieder ein Gruppenerlebnis zu haben – mitzuhalten, egal welcher Leistungsklasse meine (oftmals männlichen) Mitfahrer angehören.

Auf nahezu allen meinen Touren habe ich ein Durchschnittspuls von  ca. 150 Schlägen, so dass es sehr wohl anstrengend sein kann ein E-MTB sportlich zu fahren. Sicher gibt es auch E-Mountainbiker die alles in der schnellsten Unterstützungsstufe hoch fahren und diese haben Sie wohl bei Ihrer Wanderung gestört. Aber mal ganz ehrlich  – was wäre denn gewesen wenn Ihnen eine Gruppe männlicher Mountainbiker klappernd den Berg herunter in einem noch viel schnelleren Tempo entgegen gekommen wäre? Wäre das besser gewesen?

Hätten Sie dann auch die Mountainbikefahrer von den Trails verbannt? Eigentlich führen wir also die grundsätzliche Diskussion zwischen Wanderer und Mountainbiker, die es seit jeher in den Bergen gibt. Wer darf hoch auf den Berg, wer darf sich auf Singletrails bewegen, wie begegnet man sich respektvoll und wie funktioniert das Miteinander. Die Tourismusregionen arbeiten mit Hochdruck daran Angebote zu schaffen, werben für Trail-Toleranz, versuchen respektvollen Umgang miteinander zu erreichen.  Denn nur so Schaffen wir es, dass alle naturverliebten Outdoorsportarten ihre Berechtigung und auch Ihren Platz haben und auch gemeinsam auf dem Berg unterwegs sein können.

Es gibt viele Tourismusregionen wie Graubünden, Vinschgau u.v.m. die bereits jetzt erfogreich im Rahmen der Trail-Toleranz und mit gegenseitigem Respekt Wege ausweisen auf denen Wanderer, MTBs und E-MTBs gemeinsam unterwegs sein können. Und meine Erfahrung war bisher – es funktioniert wunderbar.

Denn ganz ehrlich was ist denn die Alternative? Der Trend geht absolut dazu, dass viele trailverliebte Biker sich auf den Berg shuttlen lassen oder die Gondel benutzen. Ist es hier nicht vielleicht auch eine Alternative statt in einem stickigen Shuttle oder einer Gondel zu sitzen manchmal auch ein E-Bike zu nehmen? Man ist damit auch schneller auf dem Berg, hat das Naturerlebnis und trainiert trotz Unterstützung die eigene Fitness – eben gerade weil es nicht einfach ein Gashahn hat, wo man einfach drehen und losfahren kann.

Die zum Blogbeitrag erstellte Umfrage „Mit dem E-Bike auf den Berg – angenehme Fahrt oder unsinniger Komfort?“ gibt ja noch ein klein wenig Hoffnung. Zählt man die 23,58% der Stimmen „Ob mit E oder ohne – Hauptsache Natur“ mit den 23,13 % der Stimmen „Soll doch jeder machen wie er will, Hauptsache ich kann in Ruhe wandern“ zusammen, sind doch wenigstens noch fast die Hälfte offen für Neuerungen und tolerant.

Die übrigen 53,29 % (der 44381 Stimmen, Stand 25.04.2017, 12:37 Uhr) die dafür gestimmt haben: „Wer auf den Berg will, muss das schon aus eigener Kraft hinkriegen“ sollten sich mal Gedanken machen, was diese Aussage bedeutet.

Am Besten schließen wir die Sessellifte und Gondeln im Sommer für die Wanderer und im Winter für die Skifahrer, so dass nur noch Skitourengänger und Wanderer die von unten aus starten noch auf den Berg dürfen. Denn nur sie erleben ja wirklich, was es heißt sich die Natur zu erkämpfen. Drachenflieger und Gleitschirmflieger sollten dann am Besten auch gleich ihr Sportgepäck selber auf den Berg tragen…! – Ironie aus!

Auf Ihre These: „Man sollte E-Mountainbiker ermuntern, dem Ruf der Berge ohne Motor zu folgen, als Herausforderung. Damit sie merken, was ihnen entgeht“

bleibt mir nur zu entgegnen:

Man sollte alle Skeptiker und Kritiker der E-MTBs einmal ermutigen diese Bikes zu testen und sich erst danach eine Meinung darüber zu bilden. Sie würden sehen, dass es immer noch ein Rad ist, das man sportlich aber auch gemütlich fahren kann – völlig anders als eine Motorcross Maschine!

Ich würde mir außerdem wünschen, dass wir künftig auch in diesem Bereich Mut haben auf neue Entwicklungen offen zuzugehen.

Also lieber Ralf Neukirch – begleite mich oder einen wirklichen E-Mountainbiker doch einmal auf einer Tour im Hochgebirge und urteile danach, ob wir gemeinsam „elektrisch zum Höhepunkt finden oder nicht!“

Wie ein E-MTB Erlebnis auch sein kann und was eine weitere Ursache für die E-MTB Kritiker sein können hat Greta Weithaler in diesem Artikel wunderbar zusammengefasst – ein Zitat von ihr:

Ja, die Menschen haben Angst, überholt zu werden, doch das ist okay. Menschen haben Angst, nicht zu wissen, und das ist okay. Menschen wissen nie und werden nie alles wissen. Und auch das ist okay. Was nicht okay ist, ist, dass Menschen urteilen, obwohl sie nicht wissen. Menschen urteilen über das andere Geschlecht, obwohl sie nicht wissen. Menschen urteilen über ein anderes Sportgerät, obwohl sie nicht wissen. Was ist falsch daran, überholt zu werden, wenn der Überholende glücklich dabei ist, was er macht? Was ist falsch, von einer Frau überholt zu werden, wenn sie dich freundlich anlächelt und Spaß hat?

Den ganzen Artikel finden Sie hier Herr Neukirch:

MTB mit Motor oder die Angst überholt zu werden/

Ich hoffe die Mehrheit bemerkt, was eMTBs für eine Freiheit und Bereicherung sein können, so dass wir diese Diskussionen eMTB versus MTB in Zukunft nicht mehr führen müssen.

GLG Jani

Und wenn Euch der Beitrag gefallen hat, freue ich mich sehr, wenn Ihr meiner Facebookseite MythosEbikeblog ein Like schenkt.

6 Gedanken zu “Mein Leserbrief zum Blogbeitrag: „Elektrisch zum Höhepunkt – nein danke!“ von Ralf Neukirch, erschienen auf Spiegel Online

  1. Es ist immer schwierig Menschen die Ängste oder Vorurteile gegenüber dem Neuen haben, sich selber als den wahren “ Naturfreund“ sehen, davon zu überzeugen das es auch andere Arten der Fortbewegung in den Bergen gibt wie Wandern, und trotzdem Freunde der Natur sind zu respektieren. Wie war das Phänomen nochmal.. ich lege schonmal das Handtuch auf die Liege, dann ist es mein, mein Reich. So ist es scheinbar auch für manche Menschen schwierig etwas von „Ihrem“ Reich zu teilen. Also werden Argumente herbei gezaubert um in der Öffentlichkeit Unterstützung zu finden. Unterstützer die an dem selben Phänomen leiden.
    Dein Brief trifft sachlich den Nagel auf den Kopf!
    Sehr schön geschrieben!

  2. Sehr schöner Beitrag! Bringt so viele schöne Argumente wunderbar auf den Punkt. Vielleicht darf ich auch noch einmal was „Böses“ anmerken: Die meisten Nörgler, im Hinblick auf die Thematik E-MTB, kamen mir bisher mit dem Argument, dass es sie nervt, wenn sie selber verschwitzt und halb tot „auf dem Berg“ ankommen, während bereits zwei E-Mountainbiker gut gelaunt und deutlich weniger verschwitzt während der Auffahrt an ihnen vorbeigefahren sind. Wo fängt eigentlich Neid an? 😉

    Ich respektiere jeden Biker, egal welcher Art – ob mit oder ohne „E“. Ein respektvoller Umgang miteinander ist dabei natürlich alles. Wir sollten viel mehr Spaß miteinander haben, als etwas gegeneinander. Als ich das erste mal von dieser Streitthematik mitbekommen habe, hatte ich bereits ein E-MTB/FATBIKE. Ich war erstaunt, dass sich hier zwei so extreme Lager gebildet hatten – Menschen sind schon „witzige“ Produkte.

    RIDE ON!
    Fatlife.de

    1. Fatlife.de ich bin auch immer noch sehr sehr überrascht, wie sehr sich hier Lager bilden. Ich habe meine E-MTB ja erst seit Weihnachten und bin schon platt, was einem im ersten Moment oftmals für negative Reaktionen entgegen gebracht werden. Am liebsten wäre es mir alle Kritiker mal auf ein E-MTB zu setzen, um danach endlich kostruktiv Diskutieren zu können! In diesem Sinne Happy Trails 😉

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